Für die internationale (Rück-)Versicherungswirtschaft war das Umfeld auch 2017 unverändert herausfordernd. Aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus lag die Werterhaltung der Kapitalanlagen sowie die Stabilität der Rendite nach wie vor im Fokus der Versicherer.
Nach der erfolgreichen Einführung des europäischen Versicherungsaufsichtsrechts Solvency II im Jahr 2016 veröffentlichten im Berichtsjahr rund 350 deutsche und mehrere tausend europäische Versicherungsunternehmen erstmals ihren Bericht über Solvabilität und Finanzlage (Solvency and Financial Condition Report – SFCR). Die Versicherer berichten darin über alle Aspekte, die für ihre Geschäftstätigkeit und Risikolage relevant sind: das versicherungstechnische Ergebnis und das Anlageergebnis, das Governance-System einschließlich des Risikomanagementsystems und des internen Kontrollsystems, das Risikoprofil des Unternehmens, die für Solvabilitätszwecke vorgenommene Bewertung und das Kapitalmanagement. Die geplante Einführung eines neuen risikobasierten Solvenzsystems in Südafrika, das sogenannte Solvency Assessment and Management (SAM), wurde nochmals verschoben und soll im Jahr 2018 erfolgen.
Weiterhin von Bedeutung war im Berichtsjahr die Veröffentlichung des neuen internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS 17 durch das International Accounting Standard Board (IASB). IFRS 17 wird den seit 2005 geltenden Interimsstandard IFRS 4 ablösen und ermöglicht eine Vergleichbarkeit der Versicherer durch eine weltweit einheitliche Grundlage zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen. Das neue Bewertungsmodell wird voraussichtlich für die Bilanzierung insbesondere von langlaufenden Verträgen deutliche Änderungen mit sich bringen. Nicht abzusehen ist noch, welche Auswirkungen die Einführung von IFRS 17 letztlich auf die Vergleichbarkeit und Volatilität von Geschäftsergebnissen haben wird. Die neuen Bilanzierungsvorgaben gelten ab 1. Januar 2021, verpflichtend sind sie allerdings nur für die Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Versicherer.
In Großbritannien wurde die Versicherungswirtschaft durch die Entscheidung der britischen Regierung belastet, ab März 2017 den Abzinsungssatz für Abfindungszahlungen aus Personenschäden von 2,5 % auf -0,75 % abzusenken. Hierdurch können beispielsweise schwere Personenschäden infolge eines Autounfalles zu höheren Zahlungen aus Haftpflichtdeckungen führen. Da sich die Änderung nicht nur auf zukünftige Schäden bezieht, sondern auch auf nicht abgewickelte Schäden der Vergangenheit, entstand für die Erst- und Rückversicherer ein substanzieller Nachreservierungsbedarf.
In Argentinien hat die Öffnung des Rückversicherungsmarktes zum 1. Juli 2017 zu einer merklichen Bewegung geführt. Die Öffnung des Marktes erlaubt den lokalen Erstversicherern nun, bis zu 50 % ihres Geschäftes an zugelassene Rückversicherer abzugeben. Bis 2019 soll der Anteil sukzessive auf bis zu 75 % erhöht werden.
In Deutschland stellt die gesetzliche Verpflichtung für Lebenserstversicherer, eine Zinszusatzreserve (ZZR) als Sicherheit für hochverzinste Altverträge anzusparen, eine nach wie vor große Herausforderung dar. Welchen Stellenwert dies hat, wird auch daran deutlich, dass von der Politik Unterstützungsmaßnahmen gefordert werden, die zu einer Verlangsamung des ZZR-Aufbaus führen sollen.
Der digitale Wandel und die Digitalisierung waren auch 2017 ein unverändert an Bedeutung gewinnendes Thema für die (Rück-)Versicherungsbranche. So standen die Entwicklung neuer Produkte, eine innovativere Kundenbetreuung sowie die Optimierung von internen Kostenstrukturen und Geschäftsprozessen im Fokus der Versicherer. Gleichzeitig nahmen Beteiligungen an sowie Kooperationen mit Start-ups und Insur-Techs weiterhin zu. Dieser Trend sollte sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen.
In der Schaden-Rückversicherung herrschte 2017 ein nach wie vor intensiver Wettbewerb. Die Kapitalausstattung der Erstversicherer war weiterhin gut, sodass diese ihren Selbstbehalt hoch ließen. Zudem floss weiterhin Kapital aus dem Markt für Katastrophenanleihen (ILS-Bereich) in den Rückversicherungsmarkt, sodass die Kapazitäten im Markt deutlich über der Nachfrage lagen und dadurch unverändert Druck auf Konditionen und Preise bestand. Eine Trendwende hiervon deutete sich in der zweiten Jahreshälfte an. Die drei schweren Hurrikane sowie die Erdbeben in Mexiko und die Waldbrände in Kalifornien brachten eine außerordentlich hohe Großschadenbelastung für die (Rück-)Versicherungswirtschaft mit sich. Vor dem Hintergrund war zum Jahresende schon ein anziehendes Ratenniveau erkennbar.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung wuchs der Versicherungsmarkt für Cyberrisiken im Jahr 2017 weiter deutlich. Aufgrund zunehmender Cyberangriffe wie bspw. die Attacke auf das US-amerikanische Finanzdienstleistungsunternehmen Equifax im Mai 2017 stieg die Nachfrage nach Deckungen für Cyberrisiken weiter an. Nach wie vor wurde der überwiegende Teil der weltweiten Versicherungsprämie in den USA erwirtschaftet, aber auch in Europa wuchs das Interesse an entsprechenden Deckungen weiter.
Das anhaltende Niedrigzinsumfeld wirkte sich ebenfalls auf den Bereich der Personen-Rückversicherung im Hinblick auf die traditionellen Lebensversicherungsprodukte aus: Sie haben inzwischen nicht nur merklich an Attraktivität verloren, sondern wurden teils durch neue, an die veränderte Zinslage angepasste Policen ersetzt. Nach der Einführung von Solvency II und den daraus resultierenden erhöhten Kapitalanforderungen insbesondere für das Langlebigkeitsgeschäft war die Nachfrage nach solvenzorientierten Rückversicherungslösungen weiterhin stark. Weltweit führt der fortschreitende demografische Wandel und die zunehmende Alterung der Bevölkerung zu einer weiter steigenden Nachfrage nach Altersvorsorgeprodukten – auch für die Rückversicherungsbranche. Ferner werden auch sogenannte Lifestyle-Produkte zunehmend nachgefragt. Hierbei handelt es sich vornehmlich um maßgeschneiderte Lebensversicherungsprodukte zur Absicherung des individuellen Lebensstils des Versicherungsnehmers. Dies sind insbesondere Policen, deren Prämie an das Gesundheitsverhalten des Versicherten (z. B. Fitness, Ernährung) geknüpft ist. Während solche Produkte bisher eher in angelsächsischen und asiatischen Ländern Absatz fanden, lässt sich ein spürbares Interesse an diesem Trend auch in Europa erkennen.